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Deutsche in der Ukraine: Fokus Wolhynien

Bis zum Ersten Weltkrieg lebten rund 250.000 Deutsche in etwa 300 Siedlungen in Wolhynien. Für kaum zwei Generationen wurde die Region im Nordwesten der heutigen Ukraine um 1900 zu ihrer Heimat. Die meisten von ihnen kamen ab 1861 als Handwerker, Landwirte oder Kaufleute in die Region. Als einzige russlanddeutsche Gruppe wurden sie zwei Mal deportiert, bereits zur Zarenzeit und später unter Stalin. Ebenfalls als einzige Gruppe erlebten sie in der Zwischenkriegszeit eine Teilung ihres Territoriums in ein westliches Wolhynien, das zu Polen gehörte und ein östliches, sowjetisches. Diese Teilung hatte weitereichende Konsequenzen für die Wolhyniendeutschen. Über diese geschichtlichen und einige persönliche Aspekte zu den Deutschen aus Wolhynien, zu denen Iras Großeltern gehörten sprechen die Steppenkinder in dieser Folge.

Hier können Sie sich diese Folge anhören

Ira: Du bist gerade auf Durchreise. Wo kommst du her?

Edwin: Ich komme gerade aus Stuttgart. In Stuttgart wurde die Ausstellung zum Buch „Mein Name ist Eugen“ im Haus der Heimat des Landes Baden-Württemberg eröffnet und es wird im Laufe des Sommers bis in den Oktober hinein Begleitveranstaltungen geben wie Podiumsdiskussionen und Lesungen. Informationen dazu könnt ihr auf der Website des Hauses der Heimat finden. Heute wollen wir uns wieder über die Ukraine unterhalten und über besondere Regionen und Landschaften unserer Familiengeschichte.

Ira: In der heutigen Folge wird es um Wolhynien gehen. Das ist die Region in der nordwestlichen Ukraine, aus der meine Großeltern 1936 nach Nordkasachstan deportiert worden sind. Wir werden über Wolhynien sprechen, wir wollen aber auch allgemein auf den Begriff Russlanddeutsche eingehen sowie zwei Projekte vorstellen, die wir in Zusammenhang mit Wolynien dieses Jahr noch planen.

Edwin: Wie geht es dir denn, Ira?

Ira: Heute ist Tag 100 des Ukraine-Krieges und ich stelle fest, dass einerseits das, wovor ich Angst hatte, nämlich dass ich mich an ihn gewöhne, tatsächlich passiert und andererseits verstehe ich auch, dass es sein muss. Dass ich nicht in diesem permanenten Alarmzustand bin wie in den ersten Wochen, damit ich auch meinen Alltag weiterhin auf die Reihe bekomme. Wie geht es dir?

Edwin: Ich weiß nicht, ob man sich an den Krieg gewöhnen kann. Mein Tag fängt immer noch mit dem Checken der Nachrichten an, wie es in der Ukraine aussieht. Es ist natürlich sehr bedrückend, dass die Situation so verfahren ist. Es sind nicht die Schrecken der ersten Tage, aber auf jeden Fall überkommt mich dann schon eine große Sorge, weil das nicht irgendein Konflikt zwischen zwei Ländern ist, die weit weg sind. Sondern das ist so nah an uns und es betrifft uns persönlich. Meine große Sorge richtet sich auch gegen die öffentliche Wahrnehmung. Dass in Deutschland, in Europa jetzt neue Themen kommen, die für uns wichtiger erscheinen, oder dass der Krieg uns so berührt, dass wir dann sehr stark an uns selbst denken, an unsere Sorgen und unsere Ängste, wie zum Beispiel die Angst vor einem Atomkrieg. Oder das die Energiepreise weiter steigen werden und dass unsere Bevölkerung eine Haltung zu dem Krieg entwickelt, dass man denkt, dass er uns eigentlich nichts mehr angehen sollte oder nervt. Neulich warst du auf einer Demo in Mannheim. Was waren deine Beobachtungen?

Ira: Ich war letzte Woche hier in Mannheim auf einer Kundgebung im Sinne der Solidarisierung mit der Ukraine und ich habe festgestellt, dass Hunderte ukrainische Menschen da waren und vielleicht zwei Prozent hiesige Bevölkerung, das hat mich traurig und wütend gemacht. Ich habe dann auch eine Wortmeldung gehabt und habe auf Russisch und auf Deutsch gesprochen. Ich habe gesagt, dass ich mich schäme: Warum sind denn hier so wenige Deutsche? Die ukrainischen Menschen, die vor Ort waren, die möchten Solidarität auch fühlen und nicht nur irgendwo lesen. Es ist wichtig, dass wir unsere Solidarität auch in solchen Momenten zeigen, damit die Menschen sich wirklich unterstützt fühlen. Und sie diese Kraft, die sie durch uns bekommen, auch an ihre Menschen in der Ukraine weitergeben, die in erster Linie Männer sind, die gerade einen Krieg für uns kämpfen, damit wir weiterhin in Freiheit leben können. Deswegen mein Appell weiter auf Demos zu gehen und natürlich die Ukraine auch weiterhin anderweitig zu unterstützen.

Edwin: Und sich öffentlich damit auseinandersetzen und sich immer wieder in Erinnerung bringen, was da jetzt gerade passiert. Für mich kann ich sagen, dass ich weiterhin vorhabe, dieses Thema mit Kooperationspartnern nicht aus den Augen zu verlieren. Wir werden in unserem Podcast sicherlich bei diesem Thema bleiben. Mich hat es vor ein paar Wochen persönlich berührtDa kam eine kleine Nachricht in der Kriegsberichterstattung in der Ukraine: Ein Dorf im Gebiet Cherson wurde von der ukrainischen Armee befreit. Das war das Dorf, in dem mein Urgroßvater auf die Welt gekommen ist. In der Nähe von Cherson, beziehungsweise von Mykolajiw, gab es eine Ansiedlung von Mennoniten. Diese Ansiedlung hieß Sagradowka und da gab es das Dorf Tiege, was auf Russisch Kotschubejewka heißt. Dieses Dorf wurde befreit und das hat mich so berührt. Das war so: Zack, dieser Krieg findet in der Erinnerungslandschaft meiner Familie statt und das war extrem. Deswegen wollen wir heute auch über bestimmte Landschaften und bestimmte Erinnerungslandschaften in unseren Familien sprechen, um auch ein bisschen für Facetten unseres Themas zu sensibilisieren.

Ira: Warum wir uns heute einer besonderen Region widmen, ist auch, um zu zeigen, wie unterschiedlich die Geschichten der Russlanddeutschen sind. Ich habe in letzter Zeit häufig Medienberichte gelesen und gehört, wo irgendwie versucht wurde, zu erklären, wer die Russlanddeutschen sind und im Grunde waren dann immer nur bestimmte Schlagworte wie Katharina II., Wolgadeutsche, Deportation zu hören. Häufig wurde diese auch in sehr chaotischer Art und Weise zusammengelegt. Heute gehen wir deshalb auf eine bestimmte Region ein, so wie wir es letztes Jahr mit den Wolgadeutschen gemacht hatten. Ich dachte, wir nutzen die Gelegenheit vielleicht auch noch mal, um kurz zu erklären, wer die Russlanddeutschen sind. Wer sind die Russlanddeutschen?

Edwin: „Die“ Russlanddeutschen gibt es nicht. Das ist ein Begriff, der aus der Not geboren wurde, um eine sehr heterogene Gruppe von Menschen in einer historischen, aber auch in der gegenwärtigen Perspektive zu beschrieben. Zu verschiedenen Zeiten, aber verstärkt seit dem Ende des 18. Jahrhunderts und im Laufe des 19. Jahrhunderts, sind in verschiedenen Migrationswellen deutschsprachige Menschen ins Russische Reich gekommen. Sie siedelten an verschiedenen Orten, in verschiedenen Regionen und brachten eine eigene Kultur mit, weil sie aus verschiedenen Regionen der damaligen deutschen Länder kamen. Deutschland gibt es als einen einheitlichen Staat erst seit 1871. In der Zeit, in der sie dann im Russischen Reich siedelten, haben sie für sich jeweils eine eigene Kultur entwickelt. Das heißt, Russlanddeutsche, die an der Wolga gelebt haben, haben sich sprachlich, kulturell und in vielen verschiedenen Alltagssachen von den Deutschen unterschieden, die im Kaukasus gelebt haben und da zum Beispiel Weinbau betrieben haben. Ihre Wirtschaft war dann auf den Weinbau ausgerichtet. Insofern waren auch Lebensgewohnheiten verschieden, da sie sehr vielen Einflüssen der einheimischen Bevölkerung unterlegen waren und auch übernommen wurden. Auf alten Fotos aus dem 19. Jahrhundert aus dem Wolgagebiet sehen wir zum Beispiel Kamele, weil sie diese Kulturpraktik von den nomadischen Nachbarn übernommen haben. Oder die Kaukasiendeutschen haben in ihre Esskultur sehr vieles von den Georgiern übernommen. Es gab viele unterschiedliche Gruppen von Russlanddeutschen in der Geschichte und heute ist es auch nicht so einfach zu erklären. Es ist ziemlich divers.

Ira: Katarina II., Wolga und Deportation – kannst du nochmal kurz was dazu sagen?

Edwin: Am Anfang und am Ende der Geschichte der Russlanddeutschen standen bestimme politische Entwicklungen und auch ein juristischer Status. Am Anfang gab es die deutschen Kolonisten und am Ende, ab den 1990er Jahren, die Möglichkeit in Deutschland als Aussiedler aufgenommen zu werden. Das ist die Klammer um diese verschiedenen Deutschen, die im Russischen Reich und der Sowjetunion gelebt haben. Alles dazwischen ist sehr unterschiedlich und es gab natürlich die Wolgadeutschen, es gab die Schwarzmeerdeutschen, es gab die Wolhyniendeutschen, es gab die Mennoniten, die eher eine religiös geprägte Gruppe waren, aber auch sprachlich. Von diesen Gruppen gab es relativ viele. Katharina hatte als Zarin damals ein Programm aufgelegt und hatte die ersten Siedler eingeladen. Deswegen sprechen heute viele über Katharina als die Initiatorin der Migration ihrer Vorfahren nach Russland.

Die Wolga ist insofern immer prominent bei den Erzählungen über die russlanddeutsche Geschichte, weil das das größte kompakt besiedelte Gebiet der deutschen Minderheit war. Auch hatten sie in der Sowjetunion diesen besonderen Status der Autonomie, ein Quasistaat im Staat. Das hatten die anderen Gruppen von Russlanddeutschen nicht, beziehungsweise auf einer kleineren Ebene. Insofern ist die Wolgarepublik so prominent gewesen und es gab dem Projekt gegenüber auch internationale Aufmerksamkeit aus dem Westen. Man kannte in Deutschland die Wolgadeutschen und die Wolgarepublik schon seit den 1920er, 1930er Jahren ziemlich gut. Die anderen Siedlungsgebiete und die deutsche Minderheit kannte man eher weniger. Deswegen spricht man auch mehr über die Wolgadeutschen. Kurz vor der Deportation 1941 waren das fast eine halbe Million, es waren damit ungefähr ein Viertel bis ein Drittel aller Angehörigen der deutschen Minderheit.

Die Deportation erfolgte 1941 mit dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion. Dieser Deportation unterlagen fast alle Russlanddeutschen, die in der Sowjetunion gelebt haben. Aber Deportationen gab es bereits davor, auch schon im Zarenreich. Deportation bedeutet Zwangsumsiedlungsmaßnahmen an der eigenen Bevölkerung, die nach bestimmten Kriterien ausgeübt wurden. Im Fall der Deutschen hieß es, sie durften nicht mehr im Westen der Sowjetunion leben und mussten in den Osten nach Sibirien und Kasachstan umgesiedelt werden. Wie war das denn bei dir?

Ira: Meine Familie wurde zweimal deportiert, einmal während des Ersten Weltkrieges, das ist oft nicht bekannt und dann 1936 vor dem Zweiten Weltkrieg. Wolhynien ist eine Region, wo sich seit den 1860ern deutschsprachige Handwerker, Landwirte, auch Kaufleute angesiedelt haben und die kamen wiederrum aus unterschiedlichen Gebieten. Meine Familie kam mütterlicherseits aus dem Habsburgerreich, und zwar schon in den 1850ern, das habe ich im Archiv in Schytomyr, in Wolhynien, herausgefunden. Papas Seite kommt aus Ostpreußen, wobei mein Urgroßvater in Lublin, in Kongresspolen, geboren worden ist. Kannst du uns kurz sagen, warum diese Leute ausgerechnet in diesem Zeitraum nach Wolhynien gekommen sind?

Edwin: Wolhynien ist eine historische Region, die es so schon seit dem Mittelalter gibt. Ein slawisches Fürstentum der Kiewer Rus‘. Die Kiewer Rus‘ war der gemeinsame Staat der heutigen Belarussen, Russen und Ukrainer und darin war dieses Fürstentum eines der zentralen. Von da aus ist sehr viel Kultur in den ostslawischen Bereich gekommen. Nachdem Kiew von den Mongolen erobert und die Kiewer Rus‘ von denen unterworfen wurde, ist diese Region, wie auch viele andere Regionen der Kiewer Rus‘, unter verschiedenen Staaten aufgeteilt worden. So war Wolhynien im Laufe der Zeit mal Teil des litauischen Großfürstentums, dann war Wolhynien Teil Litauen-Polens und dann verschiedener Nachfolgestaaten des heutigen Polens. Insofern war Wolhynien eine nach Westen orientierte Region mit einer polnischen Oberschicht, die von Ostslawen bevölkert war, die sich dann später zu den Ukrainern entwickelt haben. Es gab auch viele jüdische Siedler, die dort vor allem in den Städten gelebt haben. Dieses Polen wurde dann mehrmals geteilt und so sind im Zuge dieser Teilungen ab dem 18. Jahrhundert Teile Wolhyniens immer mehr zum Zarenreich übergegangen. Viele Prozesse führten dazu, dass dieses Gebiet einen wirtschaftlichen Niedergang erlebte. Zu einem bestimmten Zeitpunkt haben die neuen Besitzer in Wolhynien sich nach Möglichkeiten umgesehen, das Land wirtschaftlich wieder voranzubringen. Es gab viele Ländereien, die nicht mehr gut oder gar nicht mehr bewirtschaftet wurden. Dann hatte man angefangen, unter dem Eindruck des Programms von Katharina der Großen Ende des 18. Jahrhunderts, Leute einzuladen, damit sie dort siedeln. Sie kamen dann nicht als Kolonisten, wie die Wolgadeutschen, sondern als Pächter. Man hatte denen Pachtland überlassen. So sind dann in mehreren Wellen in den 1830er Jahren, den 1860er Jahren Menschen deutscher Herkunft aus Polen dorthin gezogen.

Polen war damals ein pseudosouveräner Staat, nämlich das Kongresspolen, von dem du gesprochen hast. Das war im Zuge des Wiener Kongresses, nach den Napoleonischen Kriegen, entstanden und war dem Status nach souverän, aber sehr unter russischer Dominanz. Die Deutschen, die in diesem Teil Polens gelebt haben, haben zu bestimmten Zeiten eher zur Zarenregierung gehalten und haben sehr viele Anfeindungen von Seiten der Polen bekommen, die zurecht damals für ihre Souveränität gekämpft haben. Viele Deutsche fühlten sich genötigt in östliche Regionen umzusiedeln. Da kam für diese Menschen das Angebot, nach Wolhynien als Pächter zu ziehen, sehr gelegen. Wolhynien war mittlerweile ein Teil des Russischen Reiches und so sind sie dann zu „Russlanddeutschen“ geworden, weil sie zur Familie dieser verschiedenen Gruppen dazugestoßen sind. Das Problem war bei denen nur, dass sie die russische Staatsbürgerschaft nicht angenommen haben. Ende des 19. Jahrhunderts und während des Ersten Weltkrieges hat man den Wolhyniendeutschen unterstellt, sie würden zu sehr mit dem Deutschen Kaiserreich sympathisieren. So kam es dann zur ersten Deportation während des Ersten Weltkrieges.

Ira: Ich habe die Einbürgerungsurkunde meines Urgroßvaters im Archiv in den Händen gehalten. Er hat sich einbürgern lassen und wurde ein Untertan des zaristischen Russlands. Aber das haben dann nicht alle gemacht?

Edwin: Das Interessante ist, dass die Wolhyniendeutschen eine sehr heterogene Zusammensetzung hatten. Die kamen zum Teil aus verschiedenen Regionen und zu verschiedenen Zeiten in Wolhynien an. Die älteste Gruppe an deutschsprechenden Menschen, die nach Wolhynien kam, kam bereits im 17. Jahrhundert. Die hatten gar nichts mit Katharina zu tun. Das waren deutsche Siedler, die von polnischen Adeligen eingeladen wurden, die sogenannten Bugholländer. Die haben nichts mit Holland zu tun, sondern das waren Deutsche, die aus Westpreußen kamen. Die lebten damals in dem Dreieck zwischen Belarus, Ukraine und Polen. Teile von denen sind, weil dort der Platz zu eng geworden ist, an den Baikalsee umgezogen. Interessant an denen ist auch, dass sie die ukrainische Alltagssprache übernommen hatten. Sie waren evangelisch, haben aber nach polnischen geistlichen Büchern ihre Gottesdienste geführt. Es gab eine evangelische Minderheit in Polen. Von denen haben sie dann die Literatur bezogen. Dabei haben sie ihre deutschen Nachnamen behalten und haben sich als Deutsche bezeichnet. Das war die älteste Gruppe. Die zweitälteste Gruppe, die nach Wolhynien kamen, waren die Mennoniten. Das war im Zuge dieses Anwerbungsprojektes Katharinas. Dann kamen diese anderen Gruppen und schlussendlich die größte Gruppe, 1861, da wo auch deine Vorfahren gekommen sind.

Insofern sind die auch unterschiedlich und das ist das Spannende, wenn man sich mit der Geschichte der Russlanddeutschen auseinandersetzt, dass da so viele Facetten dabei sind und man das nicht in einem kurzen Satz beschreiben kann. Es ist immer wieder eine Herausforderung, das zum Ausdruck zu bringen. Ein weiterer interessanter Aspekt, sind die Umgebungen, in denen sie gelebt haben, die Einflüsse, die sie von dort genommen haben. Hast du aus den Erzählungen deiner Eltern und Großeltern erfahren, welchen Austausch es zum Beispiel mit den Ukrainern oder anderen dortigen Bevölkerungsanteilen gab?

Ira: Es gab sehr viel Austausch. Das Dorf mütterlicherseits wurde 1861 gegründet. Es heißt Hortschick und liegt ungefähr 15 Kilometer von Korosten entfernt. Das ist vielleicht dem ein oder anderen ein Begriff, weil der Ort am Anfang des Ukrainekrieges angegriffen wurde. Er liegt nah an der belarussischen Grenze. Hortschick wurde von deutschsprachigen Baptisten gegründet, es war ein fast zu 100 Prozent von Deutschen bewohntes Dorf. Das Dorf väterlicherseits, Towine, ist ein bisschen weiter westlich. Da war ich letztes Jahr. Dort war es ganz gemischt. Da waren vielen ukrainische Menschen und sehr viele polnische und deutsche Menschen, es gab wahnsinnig viel Austausch. Es war absolut normal, dass man neben der Muttersprache auch die Sprache der Menschen, die in der Region gelebt hatten, konnte. Man hat zusammen gefeiert und natürlich auch zusammengearbeitet und Handel betrieben. Es gab auch viele jüdische Menschen in der Region. Das waren immer die Händler, die in das Dorf kamen und ihre Ware verkauft haben. Es gab einfach wahnsinnig viel Austausch und das war alles viel fluider, als man das heute kennt. Das man innerhalb einer Landesgrenze eine Sprache spricht, das war damals nicht so. In Wolhynien wurden einfach mehrere Sprachen parallel gesprochen und auch bis nach Kasachstan hinein hat meine Großmutter nach der Deportation Deutsch, Plattdeutsch und Ukrainisch gesprochen.

Und das ist ja nicht nur auf die Sprache bezogen, sondern es gab ja generell einen starken Austausch. Das habe ich auch gemerkt, als ich letztes Jahr in der Ukraine gelebt habe. Da haben mir Leute in der Region erzählt, dass ihre Großväter bestimmte Werkzeuge oder bestimmte Bauarten in Wolhynien verwenden, die sie von den Deutschen gelernt hatten. Die Werkzeuge heißen dann zum Beispiel immer noch „Winkel“ oder ähnlich. Dieser Austausch wirkt bis heute fort und der bestand früher in einem ganz großen Ausmaß.

Edwin: Die Wolhyniendeutschen hatten als Pächter kleine Landwirtschaften im Vergleich zu den Schwarzmeerdeutschen zum Beispiel. Aber der Umstand, dass es dann so viele geworden sind, deutet darauf hin, dass sie sich doch größere Familien leisten konnten, obwohl sie es nicht so einfach hatten, weil sie nicht auf diesem günstigen Ticket der Kolonisten mit vielen Privilegien kamen. Vor dem Ersten Weltkrieg lebten ungefähr eine Viertelmillionen Deutsche in dieser Region. Während des Ersten Weltkrieges misstraute ihnen der Zar und ließ sie aus den westlichen Regionen deportieren. Der Plan war, dass alle Deutsche aus den westlichen Regionen des Zarenreichs deportiert werden sollten. Angefangen hatte man mit den Wolhyniendeutschen, auch die Wolga- und Schwarzmeerdeutsche sollten deportiert werde. Nur ist die Oktoberrevolution dazwischengekommen und die Sowjets haben erstmal allen Nationen, die in der Sowjetunion gelebt haben, alle Rechte zugestanden. Damals war Stalin schon zuständig für diese Frage, denn er war der Kommissar der Nationalitätenangelegenheiten. Er hat dann auf dieses Mittel zurückgegriffen, als Hitler an die Macht gekommen ist. Denn das erzeugte in der Regierung der Sowjetunion, vor allem bei Stalin, wieder dieses Gefühl des Misstrauens gegenüber potentiell illoyalen Menschen. Insofern kam dann die nächste Deportationswelle 1936, nachdem Hitler 1933 die Macht ergriffen hatte. Als erstes traf es wieder die Wolhyniendeutschen.

Ira: Genau so erging es meiner Familie. Die wurde während des Ersten Weltkriegs deportiert, zum Teil nach Sibirien und es war richtig schlimm. Zum Beispiel bei einem Teil meiner Familie – das war eine Großfamilie, der Vater hieß Karl Krieger. Die hatten 13 Kinder und nur eins hat diese Deportation überlebt. Man spricht davon, dass ungefähr 50.000 Wolhyniendeutsche die Deportation nicht überlebt haben und dass nur 120.000 Wolhyniendeutsche aus der Verbannung nach dem Ersten Weltkrieg zurückkehrten. Aber immerhin sind sie zurückgekehrt. Das war dann nicht der Fall, als meine Familie 1936 nach Nordkasachstan deportiert worden ist. Da hieß es dann Verbannung auf Lebenszeit. Und so ist diese Sehnsucht bei meinen Großeltern immer geblieben. Sie haben sich immer sehr nach ihrem Wolhynchen gesehnt, nach ihrer Heimat.

Ich sehe da immer eine Parallele zum jetzigen Krieg, dass die Leute in der Ukraine ihre Heimat verlassen müssen und sie denken vielleicht auch, sie kommen zurück, wenn sie ihre Türen abschließen und den Schlüssel mitnehmen. Man hofft ja, dass man wieder kommt. Und diese Hoffnung hatten meine Großeltern auch. Sie sind aber nie zurückgekehrt. Das wünsche ich natürlich den ukrainischen Menschen, die gerade geflüchtet sind, nicht. Aber es kann passieren und das ist sehr gruselig.

Edwin: Ihnen wird hoffentlich auch nicht passieren, was den Wolhyniendeutschen passierte, nämlich dass sie sich dann plötzlich in zwei Staaten wiederfanden, nachdem nach der Oktoberrevolution im Krieg zwischen der Sowjetunion und Polen Wolhynien geteilt wurde. Der westliche Teil Wolhyniens mit der Stadt Luzk ging dann an Polen und das östliche Wolhynien um die Stadt Schytomyr verblieb dann in der Sowjetunion und so wurden eben die Wolhyniendeutschen dann wieder getrennt und lebten plötzlich in zwei verschiedenen Staaten. Und 1939 kam es dann dazu, dass die Sowjetunion und das Deutsche Reich einen Nichtangriffspakt beschlossen haben mit dem Geheimzusatz, dass Osteuropa in Einflusssphären geteilt wird. So kamen dann die Teile des westlichen Wolhyniens wieder zur Sowjetunion dazu. Natürlich befürchtete die Bevölkerung dann, dass es wieder Säuberungen geben würde, die es in der Stalinzeit in den 1930er Jahren ja gab. Sie wussten ja, was passieren kann, wenn sie selbstständige Bauern waren oder eine eigene Wirtschaft hatten. Man wusste ja, was Kollektivierung bedeutet. Man traf aber ein Abkommen zwischen der Sowjetunion und dem Deutschem Reich, dass Angehörige der deutschen Minderheit aus diesen Regionen ins Deutsche Reich abziehen dürfen. Die sogenannte „Heim ins Reich“-Aktion. So sind große Teile der Wolhyniendeutschen, aber auch Teile der deutschen Bevölkerung aus den baltischen Staaten, aus Estland, Lettland und dem Memelland, dem heutigen Litauen, aus Bessarabien oder aus der Bukowina, in das Kerngebiet des Deutschen Reiches abgezogen worden. Nur auch nicht direkt auf das Gebiet des heutigen Deutschlands, sondern in den Warthegau. Der Warthegau ist ein Teil Polens um den Fluss Warthe, der durch den Überfall der Wehrmacht auf Polen von Deutschland annektiert wurde. Da wurden diese Menschen erstmal angesiedelt.

Nachdem der Zweite Weltkrieg für das Deutsche Reich verloren zu gehen drohte und die sowjetische Armee nach und nach auch diese Gebiete überrollte, ist diese Bevölkerung wieder geflohen und hat versucht, sich auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands irgendwo in Sicherheit zu bringen. So sind Teile der Wolhyniendeutschen auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands geblieben und sie mussten nicht zurück in die Sowjetunion. Darüber haben wir mal in der Folge zu den Schwarzmeerdeutschen gesprochen. Da gab es diese Aktion der Repatriierung, das heißt, alle sowjetischen Bürger, musste wieder zurück in die Sowjetunion. Aber diese Wolhyniendeutschen waren ja keine sowjetischen Bürger. Sie waren, so kann man sagen, Bürger Polens, da sie aus dem westlichen Teil Wolhyniens kamen. Und die konnten nach dem Zweiten Weltkrieg bleiben. Viele von denen sind in Ostdeutschland gelandet und hatten da einen Status als Umsiedler. Die hießen nicht Aussiedler. Das ist eine bestimme Art der Bevölkerungspolitik der DDR gewesen, die nicht anerkannt hat, dass es Vertriebene und Geflüchtete gibt. Diese Menschen durften sich kompakt in manchen Regionen Ostdeutschlands ansiedeln, zum Beispiel Mecklenburg. Dort gibt es heute noch das Wolhynier-Umsiedlermuseum. Ein sehr schönes kleines Museum. Sehr malerisch gelegen am Rande der Mecklenburgischen Seenplatte. Ein Freilichtmuseum, wo ein Gehöft von diesen Wolhynier-Umsiedlern wieder aufgebaut und gepflegt wurde. Es ist heute zu besichtigen. Spannend ist der Ort, weil diese Umsiedler ihre Häuser so gebaut haben, wie sie es aus Wolhynien gewohnt waren.

Ira: Zu Linstow, so heißt dieser Ort in Mecklenburg, wo sich 70 wolhynische Familien nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges angesiedelt hatten, kommen wir noch. Aber ich wollte noch kurz anmerken, dass eben auch aus Ostwolhynien, also wo meine Familie gelebt hatte, nicht alle 1936 deportiert worden sind. Ein Teil ist auch geblieben. Bis heute kann ich nicht rekonstruieren, warum zum Beispiel meine Tante Martha dort geblieben ist und dann 1944 in den Warthegau gekommen ist. Es ist alles so verwirrend und kompliziert. Deswegen ist es vielleicht gut, wenn wir das im Einzelnen heute durchgehen, auch wenn es dann am Ende vielleicht noch mehr Fragen aufwirft.

Edwin: Wann warst denn du selbst zum ersten Mal in Wolhynien?

Ira: Ich war im Herbst 2018 das erste Mal zusammen mit der Autorin und guten Freundin Katharina Martin-Virolainen in Wolhynien. Ein Teil ihrer Familie ist auch aus Wolhynien und dann sind wir einfach spontan hingefahren. Es hatte sich dort unglaublich vertraut angefühlt. Als sei ich schon mal da gewesen. Die Landschaft ist hügelig. Dort wachsen viele Obstbäume und viele Pilze im Herbst, es gibt viel Wald. Du meintest ja vorhin, dass die Wolhyniendeutschen nicht so erfolgreich gewirtschaftet hatten. Das stimmt, aber das liegt nicht daran, dass die fauler oder weniger clever waren als die Schwarzmeerdeutschen. Sondern das Land, das ihnen damals zur Pacht gegeben wurde, war einfach immer das schlechteste Land, was es dort gab. Das ist ein ganz sandiger Boden und auch mein Großvater hat noch erzählt, dass, wenn du wolltest, dass auf deinem Acker irgendwas wächst, du viel Kuhmist draufkippen musstest. Das war nicht so ein fruchtbarer Boden, wie diese tolle schwarze Erde im Schwarzmeerraum, wo einfach alles gefühlt von alleine gewachsen ist.

2019 war ich wieder in Wolhynien, weil Katharina und ich dort eine Medienwerkstatt für Nachwuchsjournalisten aus Deutschland und der Ukraine organisiert hatten. Und letztes Jahr war ich in dem Dorf, aus dem mein Großvater kommt. Das war spannend, weil mein Vater noch meinte, dass es das Dorf Towine gar nicht mehr gibt. Ich bin dann mit einem guten Freund hingefahren und Katharina war zufällig auch wieder dabei, weil sie mich da in Odessa besucht hatte, wo ich damals gelebt hatte. Dann sind wir in ein Nachbardorf gefahren, wo wir einen Anhaltspunkt hatten. Wir haben gefragt, ob sie dort Towine kennen. Und dann meinte ein älterer Mann, dass wir einfach geradeaus fahren müssten. Da stünden noch Häuser. Ich war so perplex, weil ich nicht damit gerechnet hatte. Und dann waren wir dort und da standen noch Häuser und es waren noch Straßen erkennbar. Eine Frau ist mit uns mitgefahren und meinte, dass das Haus meines Großvaters da und da gestanden hatte. Die kannten auch meinen Familiennamen. Peterewe habe die immer gesagt und das war für mich wahnsinnig bewegend, dass obwohl meine Großeltern vor über 80 Jahren deportiert worden sind, dass zumindest mündlich ihre Spuren noch geblieben sind und das manche Menschen immer noch wissen, dass da Deutsche gelebt haben mit dem Namen Peter. Das hat mich sehr bewegt.

Die Region lässt mich natürlich nicht los. Es fühlt sich jedes Mal, wenn ich dort bin, an, als würde ich dahin gehören. Weil ich mich mit dieser Region verbunden fühle, freue ich mich wahnsinnig, dass ich diesen Sommer wieder eine Medienwerkstatt machen kann, ganz ähnlich wie die Medienwerkstatt, die Katharina und ich 2019 in Wolhynien gemacht haben. Dieses Jahr ist sie leider nicht in der Ukraine, aber in Linstow. Und zwar in dem Umsiedlermuseum und da freue ich mich schon wahnsinnig drauf und da können auch wieder Menschen aus Deutschland und aus der Ukraine teilnehmen. Man kann sich über die Webseite. Du hast auch etwas Besonderes vor mit Wolhynien diesen Sommer?

Edwin: Zusammen mit dem Nordost-Institut, und zwar mit Dmytro Myshkov, der ja bereits letztes Jahr bei uns in der Sendung zu Gast war, wollen wir eine studentische Summer-School auch in Linstow durchführen. Die findet ungefähr eine Woche vor deiner Medienwerkstatt statt, nämlich vom 14. bis 23. August. Der erste Teil findet in Linstow statt und der zweite Teil in Detmold. Teilnehmen können Studierende aus Deutschland und der Ukraine. Wir werden Fachleute haben, die zu den einzelnen Aspekten Vorträge halten. Wir werden uns mit der Teilungsgeschichte Deutschlands und Pommerns auseinandersetzen, da Wolhynien ja mehrmals geteilt war. Wir werden auch das pommersche Landesmuseum in Greifswald besuchen. Infos zur Summer School finden sich auf unserer Webseite. Jetzt habe ich eine sinnliche Frage an dich: Wie riecht Wolhynien?

Ira: Wolhynien riecht für mich nach Äpfeln, weil ich das erste Mal im Herbst da war und an einigen Bäumen hingen noch Äpfel. Ich habe sie gepflückt und die rochen so aromatisch. So riechen Äpfel aus dem Supermarkt nicht. Die habe ich dann nach Deutschland mitgenommen und meinen Eltern gegeben. Erde habe ich auch mitgenommen. Wir waren an einem Haus in Gottliebsdorf, das ist das Dorf, aus dem meine Großmutter kommt. Da war noch so ein altes Haus, vielleicht noch von den Deutschen dort. Da hat ein Mann drin gelebt und ich habe ihn gefragt, ob ich reingehen dürfte, weil es mich natürlich interessiert, wie diese Häuser aussehen. Ich versuche einfach die Geschichte mit Eindrücken zu rekonstruieren, weil wir keine Fotos aus Wolhynien haben. Es gibt ein paar Familienbilder. Aber da siehst du nicht die Häuser oder die Landschaft. Die Häuser in Wolhynien sehen aus wie das Haus meines Großvaters in Kasachstan. Die Bauweise haben die Deutschen einfach mitgenommen. Es sind kleine Holzhäuser mit grünen oder blauen Fensterrahmen, die aus Holz geschnitzt sind.

Edwin: Und so sieht das Haus in dem Freilichtmuseum in Linstow aus.

Ira: Genau, diese Bauweise, kann man in diesem Umsiedlermuseum auch sehen. Auch die Anordnung der Zimmer, die ist exakt so, wie in Wolhynien, wie ich das in dem Haus gesehen habe. Und dann bin ich rausgegangen und habe den Mann gefragt, ob ich ein bisschen Erde von diesem Grundstück haben könnte, weil ich mir einfach vorstelle, dass das stellvertretend das Haus meiner Großmutter für mich ist. Dann hat der mir einen kiloschweren Beutel gegeben. Ich habe die Erde verteilt an Mama, Papa und andere Verwandte. Ich weiß nicht, ob sie das so emotional sehen wie ich, aber für mich bedeutet diese Erde etwas. Das ist die Erde, in der meine Großeltern begraben werden wollten, weil es ihre Heimat ist. Stattdessen war es dann Nordkasachstan.

Edwin: Ich war noch nie in Wolhynien, aber ich stelle mir vor, wie das riechen kann. Und zwar nach morschem Holz. Ich hatte Verwandte in Sibirien, in einer waldreichen Gegend und die Häuser sind aus Holz. Wenn man so ein älteres Haus betritt, dann riecht es immer ganz spezifisch nach altem, feuchtem Holz. Und so stelle ich mir das vor. Ich war noch nie da, aber ich war nicht weit von da, in Galizien. Also in der benachbarten Region südlich von Wolhynien, wo die Stadt Lwiw, Lemberg liegt. Da hatten wir auch eine studentische Exkursion und eine Teilnehmerin, eine Studentin aus Quedlinburg, hatte von ihrem Großvater, der da in einem Dorf geboren ist, den Auftrag bekommen, das Dorf zu suchen. Wir hatten nur eine alte Karte. Das war wie eine richtige Schatzsuche. Wir sind dann mit dieser Karte und einem Guide losgefahren und sind in diesem Dorf angekommen. Das war wie in einem Dornröschenschlaf. Vor allem der alte deutsche Friedhof war noch erhalten und sie hatte dann auch das Grab von ihrem Urgroßvater gefunden. Also vom Vater des Opas, der es ihr aufgetragen hat. Da war auch ein altes Haus und es roch genauso nach morschem Holz. Deswegen stelle ich es mir so vor. In dem Haus lebte ein altes ukrainisches Ehepaar. Das waren die letzten, die sich noch an das Zusammenleben mit den Deutschen erinnern konnten, weil sie da noch vor 1939 als Kinder gelebt haben und das waren ihre Spielkameraden. Sie kannten noch die Namen und es war so herzlich. Galizien ist ja Habsburg gewesen und das Interessante war, dass der alte Mann vom Dachstuhl dann das Porträt von Kaiser Franz Josef runtergeholt hat. Er hat dann voller Stolz erzählt, dass ein Großvater Soldat bei der K-und-K-Armee war, aber das Bild haben sie immer versteckt, weil sie Konsequenzen befürchtet haben.

Ira: Das erinnert mich daran, wie Katharina und ich das erste Mal in Wolhynien diese Dörfer gesucht haben, weil es ja über 300 Siedlungen von Deutschen in Wolhynien bis zum Zweiten Weltkrieg gab. Es gibt eine alte Karte dazu, die wir dabei hatten. Wir haben Google-Maps noch angeschmissen und uns da durchnavigiert, aber die Namen sind jetzt natürlich andere. Hortschick heißt immer noch Hortschick und es ist immer noch von 2000 Menschen bewohnt. Aber zum Beispiel Gottliebsdorf heißt Sorjanka. Das gibt es auch auf keiner Karte mehr, weil da nur noch zwei Häuser geblieben sind. Das war echt ein Abenteuer, diese Siedlung zu finden. Das war nur möglich, weil wir vor Ort Leute hatten, die selbst wolhyniendeutsche Vorfahren haben, aber in der Ukraine leben und sich damit beschäftigen. Mir ist auch gerade bezüglich Friedhof eingefallen, dass ich, als ich letzten Sommer in Wolhynien, in Towine war, da haben mir die Menschen erzählt, dass es noch zwei deutsche Friedhöfe gibt. Die sind im Wald und da gibt es auch noch Grabsteine. Ich war nicht dort, weil ich keine Zeit hatte, Ich wollte dieses Jahr mit mehr Zeit kommen. Ich wollte diese Friedhöfe aufräumen und da ein Gedenkkreuz oder einen Gedenkstein hinstellen. Das tut natürlich wahnsinnig weh, dass ich nicht weiß, wann ich wieder nach Wolhynien komme. Es tut mir natürlich sehr für die Menschen leid, die jetzt dort sind oder von dort geflüchtet sind.

Edwin: Es gibt aber immer noch eine deutsche Minderheit in Wolhynien, die bis heute noch aktiv ist. Natürlich jetzt unter den aktuellen Umständen zum Teil hier in Deutschland.

Ira: Wenn ihr mehr über Wolhynien erfahren möchtet, dann nehmt ihr am besten an der Summer-School teil oder an der Medienwirkstatt.