Fotoausstellung "Kirchen der Wolgadeutschen"
Das Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte präsentiert die Sonderausstellung „Vergessene Zivilisation - Kirchen der Wolgadeutschen“ des Mannheimer Fotografen Artjom Uffelmann. 2012 unternahm er eine fotografische Expedition ins historische Siedlungsgebiet der Wolgadeutschen und hielt ihre architektonischen Hinterlassenschaften auf belichteten Glasplatten fest. Uffelmann arbeitet ausschließlich mit Mitteln der Ambrotypie, einem fotographischen Verfahren, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts weit verbreitet war. In dieser Zeit entstanden auch die sakralen Bauten der Wolgadeutschen im früheren Russischen Reich.
Thematisch ist die Ausstellung dem 100. Gründungstag der Arbeitskommune der Wolgadeutschen gewidmet, die später von der Sowjetregierung in den Status einer Autonome Sowjetischen Sozialistischen Republik erhoben wurde. Diese Gründung leitete für die größte Gruppe unter den Russlanddeutschen einerseits eine Epoche nomineller Selbständigkeit innerhalb des Sowjetreiches mit Deutsch als Amtssprache, anderseits den Einzug des Kriegskommunismus, der Einparteiendiktatur und der stalinistischen Säuberungen ein. 1941 wurde die Republik schließlich mit dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion aufgelöst. Kirchen bildeten bis zur Oktoberrevolution den wichtigsten Identitätsanker der deutschen Siedler in Russland, da sie über ihre Aufgaben der Seelsorge hinaus weite Teile des Schulwesens und der kommunalen Selbstverwaltung bestimmten. Mit dem Einzug der Sowjetmacht richtete sich der staatliche Terror unvermittelt gegen die Kirchen und den Stand der Geistlichen.
Bei der Eröffnung der Ausstellung berichtete Pfr. Edgar L. Born, Aussiedlerbeauftragte der evangelischen Kirche von Westfalen, über das heutige Leben der deutschen Gemeinden an der Wolga. Im Mai dieses Jahres unternahm er mit einer Gruppe von Nachfahren der Wolgasiedler eine Reise zu den früheren deutschen Kolonien und zu den heutigen Begegnungsstätten der kleinen und weitzerstreuten deutschen Gemeinschaft. Trotz häufiger politischer Differenzen zwischen beiden Staaten hob er die positive Haltung der heutigen Bewohner zu den Deutschen und zu ihrem Erbe hervor. Einen Ausdruck für diese Tradition fand er in einem weitabgelegenen Dorf auf der sogenannten Wiesenseite der Wolga in einer äußerst seltenen Symbiose der Orthodoxie und des Protestantismus. Hier steht eine seltene Simultankirche – ein Bau, in dem beiden Konfessionen in einem architektonischen Ensemble vereint waren
Die Ambrotypien, die der Autor dem Museum schenkte, sind noch bis zum 31. Mai 2019 im Museum zu sehen. Im Frühjahr wird Artjom Uffelmann im Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte ein Workshop anbieten, in dem er Interessierten das Verfahren vorstellen wird.