KunstMenschSystem - Anpassung oder Widerstand?
JAKOB WEDEL wird 1931 in Bergtal etwa 60km östlich der kirgisischen Hauptstadt Frunse (heute Bishkek) geboren. Dort wird er im mennonitischen Glauben erzogen. Seine Vorfahren waren deutsche Kolonisten aus dem Gebiet Molotschna am Schwarzen Meer.
Nach Beginn der Deportation der Russlanddeutschen wird die Familie im Juni 1942 Opfer der stalinistischen Diktatur: Sein Vater wird deportiert und zur Zwangsarbeit verpflichtet. Auf Grund grausamer Arbeitsbedingungen verstirbt er zwei Jahre später.
Famile Wedel ohne den verstorbenen Vater - Vermutlich Bergtal, Ende 1940er-Jahre
Seine Mutter wird im Dezember 1942 zu einer 70km entfernten Baugrube deportiert und zur Zwangsarbeit verpflichtet. Ab diesem Zeitpunkt sind Jakob und seine Geschwistern im Alter von vier bis 14 Jahren sich selbst überlassen.
Mit 10 Jahren nimmt Jakob eine Arbeit an, um die Familie vor dem Verhungern zu bewahren. Doch die schlechte Versorgungslage während des Zweiten Weltkriegs trifft sie ohne Eltern besonders hart.
Jakob und seine Schwester erkranken an Skorbut und überleben nur knapp. Erst am 5. November 1944 gelingt es ihnen, ihre Mutter endgültig zurückzuholen.
Jakob Wedel mit der Hauskuh der Familie - Bergtal, um 1950
Schon in der Schule zeigt Wedel Talent zum Zeichnen und Holzschnitzen. Seine Karriere kann jedoch erst nach einer Besserung seiner Lebensumstände beginnen. Zunächst als Tischler und später als Künstler lebt und arbeitet er ab 1954 in Frunse.
Die Anerkennung als Künstler verlangt in der Sowjetunion allerdings Systemtreue. Jakob Wedel spürt den Druck des Regimes, sich ideologisch konform auszudrücken. Zeitweise flüchtet er sich in unpolitische Akt- und Naturdarstellungen. In den 70er-Jahren führt er jedoch häufiger Aufträge der Regierung der kirgisischen sozialistischen Sowjetrepublik aus. Die Aufträge fordern ihn dazu auf, ein System und seine Akteure zu glorifizieren, welche die Deutschen in der Sowjetunion noch immer ungerecht behandeln.
Mit Büsten und Porträts unterstützt er die staatliche Propaganda und die Konstruktion von Personenkulten um Leonid Breschnew und Michail Frunse.
Bei der Arbeit an der Skulptur Johanna d'Ark - Frunse, 1969
Austellung vor prominentem Publikum. Vorne Links die Künstlerin Swetlana Wutschtitsch und in der Mitte die Kunsthistorikerin Dr. Klawdija Iwanowa Antipina - Frunse, 1986
Jakob Wedels Atelier in der alten Torstraße - Schwalenberg, 1993
Um dem Anpassungsdruck des Sowjetsystems zu entgehen, wandert Jakob Wedel 1988 in die Bundesrepublik aus. In Deutschland beginnt er sofort damit, seine Geschichte in neuen Werken zu verarbeiten.
In einem explosionsartigen Schaffensprozess entsteht eine Werkreihe mit den Titeln „Der Leidensweg“ (1989-1991), „Die letzte Kraft“ (1990) und „Troika – die rote Bande“ (1996), in denen er die Stalindiktatur als menschenverachtendes System entlarvt. Die Werke sind im Untergeschoss der Dauerausstellung des Museums ausgestellt.
2014 verstirbt Jakob Wedel im Alter von 83 Jahren in Detmold.