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Wolhynien – Eine europäische Region Deutsch-Ukrainischer Verflechtungsgeschichte(n)

Summer School für ukrainische und deutsche Studierende
15. – 24. August in Linstow und Detmold

Je nach dem, aus welcher Perspektive die nordwestukrainische Region Wolhynien betrachtet wird, kann es im politischen Sinne eine Region am Rande Europas sein oder in einer historisch-kulturellen Betrachtung inmitten Europas liegen. Im allgemeinen Bewusstsein eher unbekannt ist diese Region der heutigen Nordwestukraine durch hunderttausende Lebenswege und Biographien besonders mit Deutschland eng verbunden. Das Nordost-Institut für Kultur und Geschichte der Deutschen in Nordosteuropa und das Kulturreferat für Russlanddeutsche laden Studierende deutscher und ukrainischer Universitäten zu einer akademisch-kulturellen Begegnung unter dem Motto Regionalgeschichte und deutsches Kulturerbe an der Schnittstelle zwischen Hochschule und Zivilgesellschaft nach Linstow und Detmold ein.

DAS DEUTSCH-UKRAINISCHE KULTURERBE IN DER DEUTSCHEN MUSEENLANDSCHAFT
Museen im mecklenburgischen Linstow und nordrhein-westfälischen Detmold beherbergen das historische Erbe kultureller Verflechtungsgeschichte von Deutschen und Ukrainern. Während sich das Wolhynier Umsiedlermuseum in Mecklenburg-Vorpommern explizit der Kollektivgeschichte, der in der früheren DDR lebenden Deutschen aus Wolhynien widmet, erzählt das Museum in Detmold die Kulturgeschichte der deutschen Minderheit in der Ukraine im Kontext des Russischen Reiches und der Sowjetunion. Trotz der gewaltigen Migrationsbewegungen aus Wolhynien im 20. Jahrhundert, und der aktuellen Migration durch den Krieg, wirkt auch heute noch eine deutsche Minderheit inmitten der ukrainischen sowie auch der bundesdeutschen Gesellschaft. Sie verknüpft die Zivilgesellschaften und pflegt ein Jahrhunderte altes Kulturerbe.
Rückschau Sommerschule

Das Angebot richtete sich insbesondere an deutsche Studierende mit Schwerpunkt der osteuropäischen Kultur und Geschichte bzw. Germanistik, deutscher Geschichte und Kultur in der Ukraine sowie jeweils angrenzender Disziplinen. Teilnehmer*innen der Summer School konnten neben akademischen Begegnungen mit Expert*innen an musealen sowie wissenschaftlichen Einrichtungen die erinnerungskulturelle Landschaft mit Bezügen zur Kulturregion Wolhynien in Deutschland kennenlernen. Neben Vorträgen und Besichtigungen in Greifswald, Berlin und Göttingen boten wir Raum für aktive und kreative Teilnahme.

Bericht über die Sommerschule in deutscher Sprache

Студенти та викладачі ЛНТУ досліджують історію у Літній школі в Німеччині
Bericht über die Sommerschule in ukrainischer Sprache

In der vom 15. bis zum 24. August 2022 stattgefundenen Sommerschule „Wolhynien – Eine europäische Region deutsch-ukrainischer Verflechtungsgeschichte(n)“ hatten Studierende aus der Ukraine und aus Deutschland die Möglichkeit, sich mit der Geschichte und Kultur der im Herzen Europas liegenden westukrainischen Region Wolhynien zu beschäftigen. Im Fokus standen dabei die verbindenden Elemente der deutsch-ukrainischen Geschichte, wie auch die Bedeutung dieser multiethnischen Region im Prozess der Konsolidierung der europäischen Ordnung. Eine besondere Berücksichtigung fanden dabei Betrachtungen von Migrationsperspektiven zwischen Deutschland und der Ukraine in den Umbrüchen des 19. und 20. Jahrhunderts, die durch den anhaltenden Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine von einer erschreckenden Aktualität geprägt wurden.

Die vom Kulturreferat für Russlanddeutsche in Kooperation mit dem Nordost-Institut der Universität Hamburg organisierte Sommerschule fand im mecklenburg-vorpommernschen Linstow sowie in Detmold statt und bot dabei eine Mischung aus Impulsvorträgen durch Experten, Exkursionen und gemeinsamer Projektarbeit durch die Teilnehmenden.

Passend zum Thema fand die erste Hälfte der Sommerschule in Linstow statt. Ein Ort, an dem sich nach dem Zweiten Weltkrieg wolhyniendeutsche Flüchtlinge angesiedelt und ein Stück ihrer wolhynischen Heimat in Deutschland wiederaufgebaut hatten. Heute bewahrt das Wolhynier-Umsiedlermuseum dieses besondere deutsch-ukrainische Kulturerbe und die Teilnehmenden konnten in geschichtsträchtiger Kulisse in die vielfältige Thematik einsteigen. Dass die Thematik vielfältig ist, wurde nicht zuletzt anhand des Programms deutlich. Bestand es doch aus wissenschaftlichen Fachvorträgen von Dr. Dmytro Myeshkov und Prof. Mykhailo Kostiuk, aus Inputs über die Organisation der deutschen Minderheit in der Ukraine durch Wolodymyr Leylse und Olha Tybor und natürlich einer Führung durch das Museum. Dazu gab es eine Vielzahl von externen Programmpunkten auf den Exkursionen nach Greifswald und Berlin, wo unter anderem der Lehrstuhl für Ukrainistik der Universität Greifswald, das Pommersche Landesmuseum und das Dokumentationszentrum Flucht und Vertreibung besucht wurden. Über all dem Stand aber die selbstständige Projektarbeit durch die Teilnehmenden. Diese hatten die Möglichkeit, in kleinen Gruppen eigenständige Projektideen zu entwickeln und zu verwirklichen. Dabei konnten sie sich kreativ und spielerisch mit den Inhalten der Sommerschule auseinandersetzen und selbst wählen, auf welches Thema sie gerne einen Schwerpunkt legen möchten, um diesen als abgeschlossenes Projekt dauerhaft zu fixieren.

Am 20.08. ging dann die Arbeit in Detmold im Museum für Russlanddeutsche Kulturgeschichte in Detmold weiter. Ähnlich wie in Linstow waren die Programmpunkte auch hier eine Mischung aus Input, Diskussion, eigenständiger Arbeit und Exkursionen. So führte der Kulturreferent Edwin Warkentin anfangs durch das Museum, André Böhm hielt einen Vortrag zur aktuellen Situation in der Ukraine und Dr. Oskar Walter brachte eine Geschichte über das wolhynische Kulturerbe in Kasachstan mit, womit der Rahmen der Veranstaltung auch über die Grenzen Europas erweitert wurde. Dass die Verflechtungen zwischen Deutschland und der Ukraine auch immer Spiegel der Umbrüche und Diktaturerfahrungen des 20. Jahrhunderts sind, wurde unter anderem bei der Exkursion in das Dokumentationszentrum Stalag 326 in Senne deutlich. Dabei handelt es dich um ein ehemaliges Kriegsgefangenenlager, in dem überwiegend sowjetische, d. h. auch ukrainische Soldaten unter menschenunwürdigsten Zuständen inhaftiert waren. Auch der Besuch des Museums des Grenzdurchgangslagers Friedland, das sich schwerpunktmäßig sowohl der Migrations- als auch der Kriegsgefangengeschichte widmet, machte diese Verflechtungen deutlich: Schließlich kamen sowohl ein Großteil der heimkehrenden deutschen Gefangenen aus dem Osten durch dieses Lager, wie auch später die Spätaussiedler aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Abgerundet wurde die Exkursion durch eine Fahrt nach Göttingen, wo Dr. Alfred Eisfeld vom Göttinger Arbeitskreis in einem Vortrag den Forschungstand und die Forschungsmöglichkeiten zum Thema der Deutschen in Wolhynien zusammenfasste. Bevor die Sommerschule dann am 24.08. ihr vormaliges Ende fand, wurden die Teilnehmenden aus der Ukraine offiziell durch die Kreisverwaltung vom Kreis Lippe, der Partnerstadt von Luzk, begrüßt bzw. verabschiedet.

Dass die Verflechtungen zwischen der deutschen und der ukrainischen, bzw. wolhynischen Geschichte und Kultur vielfältig sowie ein lohnenswerter und ertragreicher Beschäftigungsgegenstand sind, hat das breit aufgestellte und differenzierte Programm zu zeigen vermocht, noch mehr wurde dies durch die engagierten Studierenden und Referenten offenbar. Denn gerade die ertragreiche Zusammenarbeit zwischen ukrainischen und deutschen Teilnehmenden, die Diskussionen und der Austausch haben eindrücklich gezeigt, dass die Verflechtungen zwischen beiden Ländern eben nicht rein historischer Natur sind, sondern im Jetzt verankert sind und gelebt werden. So sind die Themen der Flucht und der Vertreibung leider wieder aufs Tragischste mit der Ukraine verbunden, aber ebenso, wie die Sommerschule zeigen konnte, auch die Kooperation und die Gemeinsamkeit. In diesem Sinne wollen wir allen Teilnehmenden von ganzem Herzen für die Teilnahme an der Sommerschule und für den gelungenen transkulturellen Austausch danken.

Das Nordost-Institut (IKGN e.V.) in Lüneburg ist eine kulturwissenschaftliche Forschungseinrichtung und kooperiert als „An-Institut“ mit der Universität Hamburg. Es widmet sich der Kultur und Geschichte der Deutschen im nordöstlichen Europa und verbindet Grundlagenforschung mit innovativen Perspektiven der historischen Wissenschaften.

Das Kulturreferat für Russlanddeutsche ist eine durch die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien geförderte Institution zur Vermittlung von Kultur und Geschichte der Deutschen aus der früheren Sowjetunion. In den Beiträgen und Angeboten des Kulturreferat wird in unterschiedlichen Formaten über die Hintergründe der Migrationen und kultureller Bezüge zwischen Deutschland und den heutigen postsowjetischen Staaten informiert.

Ansprechpersonen

Edwin Warkentin
Jan Pöhlking +49 (0) 5231 – 9216-913
Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.