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Neue Willkommenskultur in Lippe

04. April 2023

Der Vorsitzende des Rates der Deutschen der Ukraine Wolodymyr Leysle besuchte das Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte.

Seit mehreren Jahren steht das Kulturreferat für Russlanddeutsche am Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte im regelmäßigen Kontakt mit Organisationen der Ukrainedeutschen. Erst im vergangenen Jahr fand in Kooperation mit der Dachorganisation der Ukrainedeutschen eine studentische Sommerschule u.a. in Detmold statt. Im Fokus des Gesprächs standen die Herausforderungen der Verbandsarbeit für die Ukrainedeutschen und die Erfahrungen der Ukrainer in Deutschland.

Erfahrungen der Deutschen in der Ukraine

„Für manche begann der Krieg in der Ukraine erst letztes Jahr. Für mich begann er schon 2014“ erzählte Leysle. Er musste während der Krim-Annexion die Halbinsel. Für ihn sei insofern der Kriegszustand nichts neues. Dabei machte er im Gespräch darauf aufmerksam, dass gegenwärtig nicht nur Militärobjekte Ziel von Angriffen seien. Das Begegnungszentrum der Deutschen in Mariupol war erst 2021 als Zeichen deutsch-ukrainischer Freundschaft eingeweiht worden. Ungefähr ein Jahr später wurde das Gebäude gänzlich durch Raketenangriffe zerstört. Neben hauptsächlich humanitären Hilfen und Migrationsberatung für die Mitglieder kümmern sich die Vereine selbst unter diesen Umständen um den Erhalt des deutschen Kulturerbes und Aufrechterhaltung der Sprache und Traditionen der Minderheit. Vor dem Krieg zählte die Gemeinschaft etwa 33.000 Angehörige landesweit, deren Vorfahren vor zum Teil 300 Jahren in die Region einwanderten und mit Ukrainern und anderen Völkerschaften friedlich zusammenlebten. Etwa 10 Prozent, haben das Land aktuell verlassen und sind größtenteils in Deutschland. Viele, die bis zum Schluss ihre Zukunft mit der Ukraine verbanden, bemühen sich nun um Anerkennung als deutsche Spätaussiedler.

Erfahrungen der Ukrainer in Deutschland

Der Vorsitzende des Museums für russlanddeutsche Kulturgeschichte und Geschäftsführer des Christlichen Schulvereins Lippe e.V. berichtete über eine neue Art von Willkommenskultur, die in Lippe durch die Betreuung geflüchteter Ukrainer entstanden sei. Er machte auf den hohen Anteil der Menschen mit einem russlanddeutschen Hintergrund im Kreis Lippe aufmerksam. Ungefähr 20% besitzen diese Migrationserfahrung. Auch gibt es ungefähr 80 bis 90 Freikirchen mit demselben Hintergrund. „Für viele in diesen Migrationskirchen war nach dem Ausbruch des Krieges klar: Wir müssen helfen! Dies geschah zum einem aus einer christlichen Motivation heraus – ‚wir wollen unseren Nächsten lieben‘, aber auch aus einer sprachlichen – ‚wir können russisch‘“ berichtete Dück. Schon nach zwei bis drei Tagen begannen sich Menschen in Lippe zu organisieren, um an die Grenzen zu fahren. Mittlerweile sind über 700 Personen in privaten Familien untergebracht worden. Teilweise organisierten die Helfer aus Lippe noch während der Fahrt zurück nach Deutschland, wo die Geflüchteten unterkommen könnten. Auch der Christliche Schulverein Lippe e.V. wollte nach der Flucht ukrainische Schüler aufnehmen, damit sie eine Struktur und einen Alltag bekommen. Über 130 Kinder wurden aufgenommen. Auch ein ganzes Kinderheim, welches aus der Ukraine nach Deutschland geholt wurde, ist in Lippe entstanden.

Zukünftiges Projekt: Versöhnungsgespräche während oder nach dem Krieg

Zum Schluss wurde sich über mögliche zukünftige Projekte ausgetauscht. Die transnationale Kulturgemeinschaft der Russlanddeutschen mit ihren familiären Querverbindungen in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion waren und sind Grenzgänger. Ihre Verbindungen und gemeinsames Erbe haben ein friedensstiftendes Potenzial für die Zeit nach dem Krieg, das stärker genutzt werde kann.