• Header

Schweigeminuten

Literarische Videobeiträge zu einer vielstimmigen Erinnerungskultur anlässlich des 80. Jahrestags der Deportation der Russlanddeutschen

Was empfindet ein Mensch, dessen Biografie oder Familiengeschichte nicht in das offizielle geschichtliche Narrativ der Gesellschaft passt, in der er lebt? Wie können Gedenken und Erinnern Würde verleihen oder sogar Traumata bewältigen? 2,5 Millionen Bundesbürger russlanddeutscher Herkunft gedenken im Sommer 2021 an das Kriegsfolgenschicksal ihrer Eltern- und Großelterngeneration. Sieben Autorinnen und Autoren sprechen im Projekt „Schweigeminuten“ über die Bedeutung dieses Themas für die Gesamtgesellschaft und ihren persönlichen Umgang damit.

Mehr

Im Juni 1941 überfällt Nazideutschland die Sowjetunion: „Unbedingt aussiedeln – mit Gewalt“ lautet Stalins Begleitnotiz unter der Vorlage zum Deportationserlass im August 1941, mit dem Bürger deutscher Herkunft, die auf seinem Territorium leben für die folgenden Jahrzehnte willkürlich und pauschal als innere Feinde gebrandmarkt werden. Für Russlanddeutsche beginnt damit das, was heute als ihr Kriegsfolgenschicksal bezeichnet wird: Verbannung, Zwangsarbeit, Sonderaufsicht. Diejenigen, denen es gelingt aus der Sowjetunion zu fliehen, werden nach Kriegsende rücküberstellt und des Vaterlandverrates bezichtigt. Es folgen auch hier: Lager, Entrechtung, Stigma.

Verdrängt und unaufgearbeitet wirkt dieses Kollektivtrauma über Generationen hinweg bis heute nach. Sprachlosigkeit und Schweigen prägten die Kommunikation vieler russlanddeutscher Familien von innen. Das Verschweigen und Verdrängen ihrer Erfahrungen bestimmte die Erinnerungskultur von außen. Am Ende der Kette stehen der Sprachverlust und das Vergessen. Das Kriegsfolgenschicksal bildete aber auch den humanitären Aufnahmegrund der davon Betroffenen in Deutschland. Warum bin ich hier, ist eine Frage, mit der sich die heutigen Generationen zunehmend laut beschäftigen. Warum sind sie hier, fragt sich ein großer Teil der Mehrheitsgesellschaft.

In der Beitragsreihe „Schweigeminuten“ stellen Eleonora Hummel, Melitta L. Roth, Artur Rosenstern, Viktor Funk, Christina Pauls, Felix Riefer und Katharina Heinrich ihre Ansichten über die verschiedenen Aspekte der Aufarbeitung dieser in der Öffentlichkeit kaum bekannten Folgen des Zweiten Weltkrieges dar. Und zwar aus der Perspektive der Nachgeborenen. In ihren essayistischen oder belletristischen Texten werfen die Autor*innen folgende Fragen auf: Was ändert sich in der Erinnerungskultur der Russlanddeutschen? Wie ist der gegenwärtige Umgang mit dem Kriegsfolgenschicksal der Großelterngeneration? Wird das Sprechen darüber von der Öffentlichkeit weiterhin lediglich als ein Opfernarrativ einer zugezogenen Personengruppe betrachtet? Kann seine Integration in die Aufarbeitungsdiskurse der Mehrheitsgesellschaft gelingen?

Das Projekt will der Ambivalenz, Komplexität, Vielfalt dieses Kapitels der deutschen Nachkriegsgeschichte Form und Sprache verleihen. Es will Wege in eine Auseinandersetzung mit einer Kollektiverinnerung nach dem Ableben der Zeitzeugen beschreiten und Möglichkeiten eröffnen, damit an die aktuellen Debatten um den gesellschaftlichen Zusammenhalt anzuknüpfen.

Ein Projekt des Kulturreferates für Russlanddeutsche und des Museums für russlanddeutsche Kulturgeschichte Anlässlich des 80. Jahrestages der Deportation der Russlanddeutschen Idee und Konzept: Melitta L. Roth und Edwin Warkentin Kamera, Bild und Ton: Edwin Bill Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen



Eleonora Hummel: Ein jedes Wort – über die Sprache und Erzählkultur in den Familiengeschichten der Russlanddeutschen

Eleonora Hummel: Ein jedes Wort – über die Sprache und Erzählkultur in den Familiengeschichten der Russlanddeutschen

Die Schriftstellerin berichtet in diesem Essay, wie unmöglich es zuweilen ist, über traumatische Erlebnisse aus der Vergangenheit zu sprechen, zumal ein gelerntes Schweigen und eine verordnete Sprachlosigkeit die Kommunikation darüber noch erschweren. Dem oft geführten Vorwurf, Russlanddeutsche sind in ihren Äußerungen rückwärtsgewandt, entgegnet sie mit dem Wunsch nach mehr Empathie und Anerkennung für ein unaufgearbeitetes Kollektivschicksal.

Zum Beitrag

Dr. Felix Riefer: Russlanddeutsche – die Sache mit dem Kriegsfolgenschicksal

Dr. Felix Riefer: Russlanddeutsche – die Sache mit dem Kriegsfolgenschicksal

Über die Gründe für die Aufnahme von (Spät-)Aussiedlern in Deutschland kursieren seit jeher Vorurteile und Halbwissen. Dieser Artikel räumt damit auf und beleuchtet die humanitären Grundlagen der damaligen Aufnahmegesetze.

Zum Beitrag

Artur Rosenstern: Warum nur …?

Artur Rosenstern: Warum nur …?

Die Geschichten, die Omama ihrem Enkel Robert im kirgisischen Tokmak erzählt, widersprechen den Inhalten, die er in der Schule über die Vergangenheit lernt. Und auch später in Deutschland klaffen die eigene Geschichte und die öffentliche Sicht weit auseinander.

Zum Beitrag

Katharina Heinrich: Wechselwirkungen – das Schicksal der Russlanddeutschen im Spiegel der gesamtdeutschen Geschichte

Katharina Heinrich: Wechselwirkungen – das Schicksal der Russlanddeutschen im Spiegel der gesamtdeutschen Geschichte

Die Kollektiverlebnisse der Russlanddeutschen im von totalitären Systemen geprägten 20. Jahrhundert, sind noch immer nicht in den geschichtlichen Kanon dieses Landes eingegangen. Zu unrecht, findet die Autorin, denn ihre Geschichte war stark von den Ereignissen in Deutschland und im übrigen Europa beeinflusst.

Zum Beitrag

Melitta L. Roth: Der Feind im Inneren – von der fünften Kolonne Hitlers zur fünften Kolonne Putins

Melitta L. Roth: Der Feind im Inneren – von der fünften Kolonne Hitlers zur fünften Kolonne Putins

In ihrem historischen Exkurs beleuchtet die Autorin, wie es zu den kollektiven Repressionen vor 80 Jahren kommen konnte. Sie zeigt auf, wie ein einziger unbestätigter Verdacht das Leben von Hunderttausenden dramatisch verändern kann und dass Minderheiten von außen schnell ein Loyalitätenkonflikt nachgesagt wird.

Zum Beitrag

Viktor Funk: Von Hunden und Bubble Gum

Viktor Funk: Von Hunden und Bubble Gum

Die Erinnerungen an seinen in Kasachstan zurückgelassenen Welpen führen den Autor zu Gedanken über unausgesprochene Gefühle und versperrte Wahlmöglichkeiten bis zu emotionalen Gräben zwischen den Generationen. Viktor Funk setzt sich in seinem Text mit dem Innenleben der sogenannten mitgebrachten Generation der Aussiedlerkinder auseinander.

Zum Beitrag

Christina Pauls:  Das Trauma in den Genen: eine unheilbare Diagnose?

Christina Pauls: Das Trauma in den Genen: eine unheilbare Diagnose?

Wie wirken sich bereits vor Generationen erlebte Traumata auf das Leben der Nachkommen aus? Werden sie unterschiedlich empfunden und bewertet? Gibt es überhaupt eine Möglichkeit, sie aufzulösen oder gar zu heilen? Christina Pauls sucht im ihrem Essay nach Möglichkeiten, Vergangenheit unter Einbeziehung der eigenen Identität neu zu erzählen, um sie wiederherstellen zu können.

Zum Beitrag



NEWSLETTER

Demnächst können Sie sich hier für unseren Newsletter anmelden und so regelmäßig über unser Angebot informiert werden.


Museum für
russlanddeutsche
Kulturgeschichte

Tel. 05231 92 16 90 0

Georgstraße 24
32756 Detmold


ÖFFNUNGSZEITEN

Montag: Ruhetag
Di.-Fr.: 14.00 Uhr - 17.00 Uhr
Samstag: 11.00 Uhr - 17.00 Uhr
Sonntag: 15.00 Uhr – 18.00 Uhr
(nur am ersten Sonntag im Monat)

Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte


Museum für
russlanddeutsche
Kulturgeschichte

Tel. 05231 92 16 90 0

Georgstraße 24
32756 Detmold

Cookies helfen uns bei der Bereitstellung unserer Inhalte und Dienste. Durch die Nutzung unserer Webseite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Mehr Erfahren
Ok